Thürmer Klaviere 14199, Berlin Schmargendorf

1834: Firmengründung

Thürmer Klaviere 14199, Berlin Schmargendorf: Zum 1. April 1834 machte sich der aus Zittau stammende Ernst Ferdinand Wilhelm Thürmer (24.9.1804 – 24.3.1862) in Meißen selbständig und eröffnete am 19. August 1834 eine Werkstatt unter dem Namen „Ferdinand Thürmer“. Hier stellte er „Fortepiano’s in Flügel und Tafelform, wie auch Guitarren“ her und führte Reparaturen und Stimmungen aus.

E.F.W. Thürmer wohnte zunächst am Baderberg 1, wechselt in der Folgezeit mehrfach sein Domizil und erwarb am 19.08.1843 das Haus Schloßberg 6. Anfangs wurden durchschnittlich 12 Instrumente – vorwiegend Tafelklaviere – pro Jahr hergestellt, bis 1862 belief sich die Gesamtzahl auf 365 Stück.

E. F. W. Thürmer hatte eine Tischlerlehre absolviert, war anschließend auf Wanderschaft gegangen und über Süddeutschland in die Schweiz gezogen. Dort hatte er in der Werkstatt eines Klavierbauers Anstellung gefunden und beschlossen, sich ganz diesem Beruf zu widmen. Nach einem längeren Aufenthalt in Stuttgart war er nach Sachsen zurückgekehrt und in den Klavierfabriken A. Bretschneider in Leipzig sowie E. Rosenkranz in Dresden tätig gewesen.

1873: Neubau Fabrik Martinstraße

Thürmer Klaviere 14199, Berlin Schmargendorf: Nach dem Tod des Gründers am 25. März 1862 übernahm dessen Sohn [Gustav Adolf] Ferdinand (06.02.1837–13.05.1900) die Firma Ferd. Thürmer. Er hatte im väterlichen Betrieb gelernt und dann drei Jahre bei Julius Blüthner in Leipzig gearbeitet. 1867 kaufte er das Haus Schlossberg 5 und baute insbesondere die Produktion von Flügeln und aufrechtstehenden Klavieren aus. Innerhalb weniger Jahre entwickelte er das väterliche Geschäft „aus den bescheidenen Verhältnissen heraus zu einem umfangreichen und angesehenen Etablissement der deutschen Klavierindustrie“. Bald schon mußte der Betrieb vergrößert werden und 1875 erfolgte der Umzug in den Neubau Martinstraße 12, der bereits 1884 erweitert werden konnte. Auf der Londoner Weltausstellung 1884 erhielten Klaviere der Firma Ferd. Thürmer mehrere Auszeichnungen. Insbesondere australische Händler wurden auf die Instrumente aufmerksam und es entwickelten sich enge Handelsbeziehungen mit dem fünften Kontinent, die auch in schwierigen Zeiten nicht abrissen und bis heute bestehen. Aber auch in anderen Teilen der Welt waren Thürmer-Klaviere begehrt, ein bedeutender Teil der Fertigung war für den Export bestimmt.

1897/1904: Zweigfabriken Talstraße und Fischergasse

Thürmer Klaviere 14199, Berlin Schmargendorf: 1897 bezog man eine Zweigfabrik in der Talstraße 5b. Im selben Jahr trat Gustav Adolf Ferdinand Thürmers erster Sohn Ferdinand III (5.6.1871 – 9.11.1955) als Teilhaber in die Firma ein, nachdem er seine Kenntnisse bei verschiedenen Pianofortefabriken in den USA vertieft hatte.

Der zweite Sohn Hugo (24.3.1877–7.2.1948) hatte in England und Schottland gearbeitet und wurde 1899 ebenfalls Teilhaber. Nach dem Tod Gustav Adolf Ferdinand Thürmers am 13.05.1900 führten die beiden Söhne gemeinsam den Betrieb: Ferdinand übernahm die technische, Hugo die kaufmännische Leitung. Aufgrund ihrer Erfahrungen in den USA und in England trieben sie insbesondere die Mechanisierung voran und erhöhten die Produktion beträchtlich: zum 1. April 1904 konnte eine weitere Zweigfabrik in der Fischergasse eröffnet werden, Thürmer Klaviere 14199, Berlin Schmargendorf.

Am 15. Juni 1903 feierte man die Vollendung des 25.000. Instrumentes: „Im Garten des Schützenhauses entwickelte sich ein wahres Volksfest, während im Saale festliche Tafeln der etwa 400 Gäste, Beamten und Arbeiter der Fabrik, sowie zahlreicher Freunde und Gönner, warteten.[…] Herr Ferdinand Thürmer warf in einer späteren Ansprache einen Blick auf die Anfänge und die Entwicklung der Firma und wandte sich dann der Frage zu, wem der schöne Erfolg zu verdanken sei. Rühmend gedachte er vor Allem des Vaters der jetzigen Firmeninhaber, dessen unermüdliche Schaffenskraft in der Arbeit vieler Jahre den Grund zur jetzigen Größe des Geschäftes legte. Aber auch den treuen Mitarbeitern, dem kaufmännischen, theoretischen und praktischen Personal sei ein guter Theil des Erfolges zuzuschreiben, und ihnen zollte er daher aufrichtige Anerkennung. Und eine große Anzahl treuer Arbeiter verzeichnet die Firma in den Listen ihres 170 Köpfe starken Personals. Zwei Arbeiter stehen über 30, vier über 25, fünfzehn über 20, fünfzig 15 bis 20 und fünfundzwanzig 10 bis 15 Jahre in ihren Diensten.“

1908: Neubau Fabrik Ferdinandstraße

Aufgrund der wachsenden Nachfrage entschlossen sich die Inhaber zum Neubau einer Fabrik in Meißen-Zscheila, nach deren Fertigstellung 1908 die Zweigwerke Fischergasse und Talstraße aufgegeben wurden. Das Gebäude in der Ferdinandstraße hatte die damals modernste technische Ausstattung: „Das fünf Stockwerke umfassende, bis zum Dach aus Eisenbeton gebaute Etablissement von 72 m Länge ist mit den neuesten technischen Vervollkommnungen und maschinellen Anlagen ausgerüstet. Vermittels einer Kraftanlage von 150 P.S. wird eine elektrische Licht- und Kraftzentrale unterhalten, von wo aus sämtliche Maschinen [insgesamt waren es mehr als 40] durch Elektromotoren einzeln angetrieben werden; ferner sorgt eine fast durchweg im Fußboden montierte Absauganlage für sofortige Entfernung allen Staubes, sowie der Späne und Holzabfälle, und eine vorzügliche patentierte Holztrockenanlage neuesten Systems gibt die Gewähr für tadellose Pflege der Hölzer vor der Verarbeitung. […]

Bei voller Inanspruchnahme beider Werke war es möglich, bei einer Gefolgschaft von ca. 300 Mann jährlich bis zu 2.800 Flügel, Pianos und Einbaupianos herzustellen.“ In der Ferdinandstraße wurden Halbfabrikate erstellt, in den Werkstätten im Seitentrakt der Martinstraße erfolgte der Einbau der Mechaniken und der Zusammenbau der Instrumente. Im Hauptgebäude der Martinstraße befanden sich die Verkaufs- und Kontorräume sowie in den oberen Stockwerken Wohnungen.

Erster und Zweiter Weltkrieg

Bis zum Beginn des ersten Weltkrieges waren fast 50.000 Instrumente hergestellt worden. Während des Krieges lief die Klavierfabrikation nur noch eingeschränkt weiter, hauptsächlich produzierte man Feldwagen und anderes Heeresgut. Nach Kriegsende stieg die Produktion allmählich wieder an, 1925 war die Baunummer 58.000 erreicht, 1928 die Nummer 60.000.

1926 traten Dr. Walther Thürmer (20.9.1902 – 23.2.1947), Sohn von Hugo, und Ferdinand IV Thürmer (16.3.1900–1981), Sohn von Ferdinand III, in die Firma ein. Diese konnte zwar ihre Position trotz der Weltwirtschaftskrise behaupten, mußte jedoch die Produktion deutlich verringern. Im Zuge der Umstellung wurden 1934 in den zur Triebisch gelegenen Seitengebäuden des Hauses Martinstraße Wohnungen für Mitarbeiter eingerichtet.

Auch während des zweiten Weltkrieges wurden weiterhin in geringem Umfang Klaviere gefertigt, das Schwergewicht der Produktion lag jedoch auf Kisten und diversem Mobiliar für die Wehrmacht.

1946: Enteignung

Am 30. Juni 1946 wurde die Firma Ferd. Thürmer von der Sowjetischen Besatzungsmacht enteignet und anschließend in einen ‘Volkseigenen Betrieb’ umgewandelt: „Meißner Piano- und Möbelfabrik. VVB Land Sachsen. Möbel-Holz-Leder“; bis zu diesem Zeitpunkt waren rund 67.000 Klaviere hergestellt worden. Priorität hatte nun die Möbelfertigung. Der Klavierbau lief nur noch in geringen Stückzahlen weiter und wurde vermutlich 1955 endgültig eingestellt, obschon die Betriebsbezeichnung noch Anfang 1956 „VEB Piano- und Möbelfabrik Meissen. VVB Sachsenholz“ lautete.

Am Tag der Enteignung verhafteten die Sowjets den damaligen Firmeninhaber, Dr. Walther Thürmer; er verstarb am 23. Februar 1947 im Internierungslager Mühlberg b. Torgau. 1955 flüchtete seine Ehefrau Gisela mit den vier Kindern (Sigrid, Gerd, Bernd und Jan) nach Westdeutschland.

1971: Neubeginn in Herne

1971 nahm Jan Thürmer (geb. am 10.8.1946) die Klavierbautradition seiner Vorfahren in der fünften Generation wieder auf, indem er von der Pianofortefabrik Ferd. Manthey, Berlin, in Lizenz Klaviere unter dem Namen „Ferd. Thürmer“ herstellen ließ. Im Jahre 1975 kam es zur Zusammenarbeit mit der Landshuter Flügel- und Pianofabrik L. u. O. Willis, in die Jan Thürmer später als Teilhaber eintrat. Aus Landshut bezog J. Thürmer nach firmeneigenen Vorgaben Halbfabrikate, die er in den Fabrikräumen in Herne ab 1977 fertigstellen ließ.

Schon bald begann er mit der Durchführung von Konzerten in seinem Betrieb und legte damit den Grundstein zur Tätigkeit als Konzertveranstalter. Die Firma L. u. O. Willis, die weiterhin Instrumente unter eigenem Namen gefertigt und vertrieben hatte, stellte ihre Produktion zum 30.06.1993 ein.

1988: Umzug nach Bochum

In Bochum (Friederikastraße 4) eröffnete J. Thürmer am 17. Juni 1988 ein neu errichtetes Firmengebäude. Es enthält neben der Werkstatt sowie Lager- und Ausstellungsräumen einen Kammermusiksaal mit 450 Plätzen; überdies gibt es Überäume und Wohnmöglichkeiten für Künstler. Jährlich finden ca. 100 Konzerte statt, von denen der Firmeninhaber rund die Hälfte in eigener Verantwortung durchführt.

Im Jubiläumsjahr 1984 rief Jan Thürmer in Bochum den „Klaviersommer“ ins Leben, den er ab 1989 unter dem Namen „Klavierfestival Ruhr“ fortführte (Eröffnung 15.6.89: Vladimir Ashkenazy, Abschlusskonzert 27.8.1989: Martha Argerich]

Derzeit beläuft sich die Klavierproduktion der Firma Ferd. Thürmer in Bochum auf ca. 100 Instrumente im Jahr, darunter 15–20 Flügel. Das aktuelle Fertigungsprogramm umfaßt zwei Flügel-Modelle sowie insgesamt drei Klavier-Modelle in verschiedenen Gehäusevarianten.

1999: Eröffnung des Pianofortemuseums in Meißen

Am 1. April 1999, 165 Jahre nach der Firmengründung, wurde in den ehemaligen Werkstatträumen Martinstr. 12 das Pianofortemuseum eröffnet, das anhand von Fotos, Texten sowie verschiedenen Instrumenten und Modellen die Geschichte der Firma Ferd. Thürmer und die Entwicklung des Pianofortes dokumentiert. Während des Hochwassers im August 2002 wurden die Museumsräume überschwemmt und schwer beschädigt; alle Ausstellungsstücke konnten jedoch gerettet werden. Die Neueröffnung in den ehemaligen Kontorräumen der Firma im ersten Stock erfolgt im Herbst 2007. Thürmer Klaviere 14199, Berlin Schmargendorf.